Langzeitstillen ist kein Skandal – sondern Beziehung
Warum ich stillte, obwohl es anderen komisch vorkam.
Ich habe mein Kind lange gestillt. Länger, als viele es sich vorstellen. Und länger, als viele es scheinbar „aushalten“.
Und nein – nicht, weil ich nicht loslassen konnte. Sondern weil wir beide es noch gebraucht haben: Nähe, Sicherheit, Verbundenheit.
Was für mich selbstverständlich war, fühlte sich für andere oft unangenehm an. Und das habe ich gespürt.
Was andere sehen – und was sie nicht sehen
Andere sahen ein „großes Kind an der Brust“. Vielleicht mit Matschhose, Laufrad oder Sprachwitz. Sie sahen nicht, was dahintersteckte:
Ein Kind, das Trost brauchte. Oder Nähe. Oder Ruhe nach einem turbulenten Tag. Sie sahen nicht die vielen kleinen Gründe, warum dieses Kind sich genau in dem Moment für die Brust entschied.
Stillen ist Beziehung – nicht Leistung
Ein Kleinkind stillt nicht wie ein Neugeborenes. Es trinkt nicht „nur“ – es reguliert sich. Es verarbeitet. Es tankt Nähe.
Stillen ist für viele Kinder weit mehr als Nahrungsaufnahme. Es ist Teil ihrer Bindungserfahrung. Und für viele Mütter ist es eine intuitive Art, da zu sein – ohne viele Worte.
Warum es in unserer Gesellschaft so tief sitzt
Dass Langzeitstillen heute so oft irritiert oder verurteilt wird, ist kein Zufall. Es ist historisch gewachsen. In der Nachkriegszeit galt frühes Abstillen als Zeichen von Fortschritt, Freiheit und Unabhängigkeit – für Frauen wie für Kinder.
Die Brust wurde zunehmend sexualisiert, entkoppelt von ihrer natürlichen Funktion. Werbung, Popkultur und Leistungsdenken verstärkten das Bild: Brust ja – aber bitte nicht zum Stillen über das Babyalter hinaus.
Diese Prägung wirkt bis heute. Und obwohl das Wissen über die Vorteile des Langzeitstillens vorhanden ist, bleibt das Gefühl: 'Das macht man nicht mehr.'
Scham, Rückzug und der stille Druck
Ich habe mich oft umgesehen, bevor ich mein Kind stillte. Ich habe mich zurückgezogen, obwohl ich mich nach Normalität sehnte. Ich habe Sätze gehört wie: „In dem Alter? Das ist doch peinlich.“
Und ich habe geschwiegen – obwohl ich innerlich genau wusste: Das, was ich tue, ist richtig. Für mich. Für uns.
Warum ich trotzdem stillte
Ich stillte, weil es half. Weil es Nähe schuf. Weil es Alltag leichter machte. Ich stillte, weil mein Kind es noch wollte – und ich auch.
Ich hörte auf, als es sich nicht mehr stimmig anfühlte. Nicht wegen der Kommentare. Nicht wegen der Blicke. Sondern weil wir unseren Weg selbst bestimmten.
Was ich heute sagen möchte
Stillen ist nichts, wofür man sich rechtfertigen muss. Nicht mit drei Monaten. Nicht mit drei Jahren.
Wer lange stillt, liebt nicht mehr – aber auch nicht weniger. Es ist eine Form der Beziehung. Und Beziehungen sind vielfältig.
Für alle, die stillen, sich fragen, ob sie dürfen, ob sie „noch sollen“ – ich sage: Wenn es für euch passt, dann ist es richtig.
Und das darf man sagen. Laut, liebevoll und ohne sich zu verstecken.
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